Die erste Runde der Tiroler Kommunalwahlen ist geschlagen. In 31 Gemeinden wird es zu einer Stichwahl kommen.

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Innsbruck – 505.752 Bürgerinnen und Bürger konnten am Sonntag in Tirol von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Es galt, in 273 Gemeinden neue Ortsvertretungen und Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister zu bestimmen. Tirolweit kandidierten 861 Listen, 562 Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten traten an. Insgesamt waren 3.650 Mandate zu vergeben – wobei die Wahl nicht allerorts auch eine solche ist. Denn in 40 Gemeinden stand nur eine Liste auf dem Stimmzettel, in 113 Ortschaften trat lediglich eine Bürgermeisterkandidatin oder ein -kandidat an. Die Wahlbeteiligung lag bei 66,3 Prozent und war damit geringer als 2016 (71 Prozent).

Neu war diesmal vor allem die Impfgegnerpartei Menschen, Freiheit, Grundrechte (MFG), die in 51 Ortschaften antrat und in 22 Gemeinden Bürgermeisterkandidatinnen oder -kandidaten aufgestellt hatte. Ortsoberhaupt konnte man zwar keines für sich gewinnen, aber es gelangen doch zahlreiche Erfolge. In 47 Orten, darunter Kufstein (zwei Mandate), Schwaz (ein Mandat) und Jenbach (zwei Mandate), wird MFG künftig im Gemeinderat vertreten sein.

MFG hat bereits Landtagswahl im Visier

Am stärksten – soweit die Ergebnisse vorliegen – schnitt die MFG in Mariastein im Bezirk Kufstein ab. Mit 27,8 Prozent der Stimmen holte man drei der elf Mandate. Beachtlicher ist jedoch der Erfolg in Kufstein, wo MFG mit 11,5 Prozent der Stimmen nur knapp den zweiten Platz verpasste. Nur die Grünen (11,9 Prozent) und die Bürgermeisterliste Die Parteifreien (30,6 Prozent) erhielten mehr Stimmen.

"Das war auch ein deutliches Votum gegen den rückgratlosen Corona-Kurs von Landeshauptmann Platter. Wir freuen uns jedenfalls schon auf die Tiroler Landtagswahlen", kommentierte Gerhard Pöttler, Bundesgeschäftsführer und Parteimanager der MFG, das Wahlergebnis.

ÖVP-Niederlagen: Platters Heimatgemeinde rot

Es ist relativ schwierig zu beurteilen, wie die Volkspartei tatsächlich abschnitt, da kaum eine Liste den Parteinamen führt. Große Erfolge schien es aber nicht zu geben, denn am meisten freute man sich offenbar über die Eroberung des Bürgermeistersessels in der Gemeinde Schönwies mit 1.378 Wahlberechtigten. Man spricht seitens der VP von einer "Sensation", da die Ortschaft im Oberland seit 40 Jahren von der SPÖ regiert wurde.

Landeshauptmann Platter veröffentlichte am Sonntagabend ein Statement zu den Wahlen: "Ich bin mit den heutigen Gemeinderatswahlen sehr zufrieden. Es hat sich gezeigt, dass wir als Tiroler Volkspartei unser hohes Niveau halten und teilweise dazugewinnen konnten und die Tiroler Bürgermeisterpartei sind. Insbesondere freuen mich die Ergebnisse in Schönwies und Mils bei Imst, wo wir nach teilweise langer Zeit die Bürgermeistersessel von anderen Parteien zurückgewonnen haben."

Eine herbe Niederlage musste die Volkspartei in Platters Heimatgemeinde einstecken. In Zams errang der SPÖ-Kandidat und Landtagsabgeordnete Benedikt Lentsch mit seiner Liste knapp die Mehrheit (50,9 Prozent). Platter hatte hier selbst elf Jahre lang als Bürgermeister regiert, nun wird Lentsch die Ortschaft als SPÖ-Bürgermeister führen.

Sieg für Platters parteiinternen Widersacher

In Imst, der wichtigen Bezirkshauptstadt im Oberland, musste der ÖVP-Bürgermeister Stefan Weirather ebenfalls einen Rückschlag hinnehmen. Er schaffte mit seiner Liste zwar die Mehrheit (25,4 Prozent), muss aber in die Stichwahl am 13. März. In Hall muss der Nachfolger der ÖVP-Langzeitbürgermeisterin Eva Posch, Werner Hackl, in die Stichwahl. Während die ÖVP bei den Listen Platz eins behauptete (28,4 Prozent), muss Hackl gegen Christian Margreiter (Für Hall) antreten. Auch in Schwaz muss der seit 24 Jahren amtierende VP-Bürgermeister Hans Lintner in die Stichwahl. Seine Herausforderin ist Victoria Weber, die als Zukunftshoffnung der Tiroler SPÖ gilt und ihre Liste auf Platz zwei führte.

Einen Achtungserfolg fuhr hingegen Platters parteiinterner Widersacher Christoph Walser in Thaur ein. Walser ist dort Bürgermeister, zudem ist er Tiroler Wirtschaftskammerpräsident. Er zeigte immer wieder Ambitionen, Platter als Landeshauptmann zu beerben, während dieser mit Personalrochaden im Regierungsteam Walsers Aufstieg zu verhindern versucht. Nun konnte Walser in seiner Gemeinde einen klaren Wahlsieg einfahren: 49,9 Prozent für die Liste, 69,4 Prozent Bestätigung als Bürgermeister.

SPÖ zwischen Erfolgen und Niederlagen

Tirols SPÖ-Vorsitzender, der Sellrainer Bürgermeister Georg Dornauer, trat in seiner Gemeinde ohne Gegenkandidaten an. Im Gemeinderat hingegen setze er sich das Ziel, die Mandatsmehrheit zu erlangen, die er bislang nicht hatte. Die Mission gelang: 67,2 Prozent der Stimmen bedeuten neun der 13 Mandate und damit die Zweidrittelmehrheit für die SPÖ. In Roppen konnte der ehemalige SPÖ-Tirol-Chef Ingo Mayr den Bürgermeistersessel ohne Gegenkandidaten behaupten. Seine Liste blieb mit 40,7 Prozent ebenfalls auf dem ersten Platz.

In Osttirols Bezirkshauptstadt Lienz behauptete sich SPÖ-Bürgermeisterin Elisabeth Blanik klar. Mit ihrer Liste holte sie Platz eins (36,4 Prozent), wobei die SPÖ mit drei weiteren Listen koppelte. Insgesamt holte man damit zehn Mandate. Bei der Wahl zum Stadtoberhaupt setzte sich Blanik klar im ersten Wahlgang durch (54 Prozent).

Wobei es aber auch Niederlagen für die Sozialdemokraten setzte. Vor allem jene in Wörgl schmerzt. Dort verlor man die Mehrheit an die ÖVP, SP-Bürgermeisterin Hedi Wechner muss am 13. März in die Stichwahl.

Dornauer zeigte sich am Sonntagabend erfreut über das Abschneiden: "Wir haben heute in vielen Tiroler Gemeinden mit unseren Kandidatinnen und Kandidaten überzeugt." Landesweit habe die SPÖ deutliche Mandatszugewinne zu verzeichnen. Hinsichtlich der Stichwahl in Schwaz gegen VP-Bürgermeister Lintner zeigte er sich optimistisch: "Alles ist möglich."

Achtungserfolg für Neos in Telfs

In Telfs und Kitzbühel konnten die beiden Kandidaten der Volkspartei das Bürgermeisteramt verteidigen. Christian Härting (Wir für Telfs) wurde offiziell von der ÖVP unterstützt. 2016 holte seine Liste ohne diese Unterstützung noch 48,5 Prozent der Stimmen, diesmal kam man auf 39,7 Prozent. Ein Achtungserfolg gelang den Neos. Sie holten 19 Prozent, was vier Mandaten entspricht. In Kitzbühel verteidigte der nicht unumstrittene VP-Bürgermeister Klaus Winkler sein Amt knapp, ohne in eine Stichwahl zu müssen. Mit seiner Liste verlor er jedoch gegenüber dem Ergebnis von 2016 rund vier Prozentpunkte.

Die Grünen spielten nur eine Statistenrolle. Sie haben abgesehen von Georg Willi in Innsbruck – die Landeshauptstadt wählte am Sonntag nicht, sondern erst wieder 2024 – keinen Bürgermeister und keine Bürgermeisterin in Tirol. Ihr Wahlziel lautete 80 Mandate, bisher hielten sie bei 73. Zumindest in der Gemeinde Fieberbrunn gelang es den Grünen, die meisten Stimmen (30,6 Prozent) zu holen.

Wattens wählt Swarovski-Kritiker, Ischgl den Kitzloch-Chef

Ein bemerkenswertes Wahlergebnis lieferte Wattens, die Heimat des Swarovski-Konzerns. Dort holte die Bürgerliste Neu mit 32,5 Prozent sieben und damit die meisten Mandate. Listenführer ist Lukas Schmied, der sich von der ÖVP losgesagt hatte und zuletzt auf Ungereimtheiten bei der Zusammenarbeit zwischen der VP-Gemeindeführung und dem Kristallkonzern hinwies. Trotz namhafter Unterstützung der VP-Bürgermeisterliste von Thomas Oberbeirsteiner durch Markus Langes-Swarovski, der sogar auf dessen Liste kandidierte, schenkte die Mehrheit der Wattener der Liste des kritischen Schmied das Vertrauen. Er muss nun gegen Oberbeirsteiner in der Stichwahl antreten.

Kurios ist das Wahlergebnis in Ischgl, der Tourismusmetropole des Paznauntals. VP-Bürgermeister Werner Kurz trat ohne Gegenkandidaten an und wurde im Amt bestätigt. Allerdings waren 43 Prozent der Stimmen, die zur Bürgermeisterdirektwahl abgegeben wurden, ungültig. Im Gemeinderat musste die Liste von Kurz eine Niederlage einstecken. Dort hat fortan die Liste B'Sinna die Mehrheit (53,3 Prozent). Auf Platz zwei dieser Liste und somit künftig im Gemeinderat vertreten: Bernhard Zangerl, der Wirt des berühmten Kitzlochs.

In der bekannten Tourismusgemeinde Sölden im Ötztal regiert mit Ernst Schöpf (ÖVP) fortan Tirols längstdienender Bürgermeister. Schöpf ist seit 1986 im Amt und konnte sich bei der Bürgermeisterwahl gegen die Kandidatin der MFG deutlich mit 88,6 Prozent der Stimmen durchsetzen. In Umhausen – ebenfalls Ötztal – konnte auch ÖVP-Landtagsklubchef Jakob Wolf Platz eins seiner Liste behaupten. Er trat ohne Gegenkandidat zur Bürgermeisterwiederwahl an.

In 31 Gemeinden kommt es am 13. März zu einer Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin.

Corona-Infektion vs. Wahlrecht

Die nach wie vor grassierende Corona-Pandemie könnte neben den MFG-Erfolgen auch andere Folgen für die Wahl haben. Denn die Anträge für Wahlkarten mussten spätestens Freitag, 14 Uhr bei den Gemeinden einlangen. Wer nun aber nach dieser Frist ein positives Corona-Testergebnis erhielt und somit sein Heim nicht mehr verlassen durfte, hatte de facto keine Möglichkeit mehr, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Laut dem Landes-Dashboards wurden in Tirol seit Freitag 4.316 Neuinfektionen gemeldet. Ein erster Fall, bei dem jemand um sein Wahlrecht umfiel, ist in Thiersee im Bezirk Kufstein passiert.

Die ehemalige Liste-Fritz-Landtagsabgeordnete Isabella Gruber erhielt Freitagnachmittag ein positives Testergebnis und konnte somit nicht an der Wahl teilnehmen. Sie hat zwar noch versucht, den Thierseer Bürgermeister über ihre Situation zu informieren, und gebeten, eine mobile Wahlkommission zu ihr kommen zu lassen. Doch das habe der Bürgermeister abgelehnt, wie Gruber dem STANDARD erklärt. Sie erlaubt, ihren Fall zu publizieren, und hat sich auch an das Land gewandt. Dort erhielt sie die Auskunft, die Entscheidung obliege dem jeweiligen Bürgermeister. "Bei uns ist der von der ÖVP und ich halt bekanntermaßen keine ÖVP-Wählerin", kommentiert Gruber die Ablehnung. (Steffen Arora, 27.2.2022)